Jana Treffler und Petra Roß besuchen die Jugendstrafanstalt Plötzensee (Teil 2)
Obwohl ich meine Kollegin am Tag zuvor darauf aufmerksam gemacht hatte, dass sie sich in Sack und Asche hüllen soll – sie ist einfach sehr jung und sehr schön –, wird uns beim Gang über den Hof auf dem Weg zu den Untersuchungshäftlingen aus den Zellen nachgepfiffen.
Dort angekommen erwartet uns ein Geräuschpegel, der unser Nervenkostüm beansprucht. In den alten Gemäuern echot der Tischfußball, der Hall der jungen Männerstimmen dröhnt im Kopf. Ein Justizvollzugsbeamter bestätigt, dass er am Abend immer mit Kopfschmerzen das Haus verlässt.
Bei der Besichtigung einer leer stehenden Zelle springt uns die Trostlosigkeit an. Eine Pritsche, ein Minitisch mit Stuhl und ein Minisanitärbereich müssen dem Untersuchungshäftling genügen. Das Freitzeitangebot beschränkt sich aufs Warten. Es gibt kein weiterführendes Programm, keine Arbeit, nicht mal Sozialarbeit. Warum auch, wenn keiner weiß, ob der Untersuchungshäftling schuldig ist.Bis zur Gerichtsverhandlung passiert hier gar nichts. Das kann bis zu zwei Jahren dauern, je nachdem, wie kompliziert das Verfahren ist. Erst nach Verkündung des Urteils und im Falle eines Schuldspruchs beginnt die soziale Arbeit in der Jugendstrafanstalt.
Es beginnt mit der Diagnose in einem anderen Haus. Hier wird festgestellt, wo der Häftling in Zukunft untergebracht wird und ein Haftplan mit den unterschiedlichsten Aktivitäten wird erstellt. Dieser ist für den Häftling verbindlich und er muss sich daran halten. Alle Aktivitäten, sei es Arbeit, Ausbildung oder das Erreichen eines Schulabschlusses sind einzuhalten. Die Haftzeit jedoch ist nach dem Schuldspruch meist zu kurz, um nachhaltige Sozialarbeit erfolgreich wirken zu lassen.
Der Zufall wollte es, dass genau am Tag unseres Besuches die Prüfungen für den Hauptschulabschluss durchgeführt wurden. Alle hatten bestanden. Kein Wunder, denn Konzentration auf das Lernen ist hier möglich. Für so manchen eröffnen sich neue Horizonte.
Auf dem Sportplatz, wo die Häftlinge trainieren, wird klar, dass viel Energie in den Männern steckt, die irgendwohin muss.
Verschwitzt stehen sie auf dem Sportplatz und auf die Frage, wer von ihnen aus Neukölln kommt, hebt ein Drittel der Männer die Hände, ein weiteres Drittel bekennt sich zum Wedding, der Rest kommt aus anderen Bezirken.