Jana Treffler und Petra Roß besuchten die Jugendstrafanstalt Plötzensee (Teil 1)
Seit 20 Jahren bereits befindet sich Janina Deininger in der Jugendstrafanstalt Plötzensee. Hier hat sie Karriere gemacht, nicht als Häftling, sondern als Mitarbeiterin. Seit 2001 macht sie hier die Öffentlichkeitsarbeit und ist inzwischen deren Leiterin. Damit ist sie die Schnittstelle zwischen Drinnen und Draußen. Sie führte Redakteure der Kiez und Kneipe, die sehen wollten, wie es einigen Neuköllnern in ihrem Exil ergeht, durch die Räumlichkeiten der Strafanstalt.
Bei Ankunft und nach Abgabe der Personalausweise und Mobiltelefone ging es in Begleitung Janina Deiningers durch kahle Flure und durch Türen, die sie geschickt, immer einige Schritte vor uns, diskret aufschloss, ohne das aus Filmen bekannte Klappern des überdimensionierten Schlüsselbundes. Sie hat den Generalschlüssel, ein Privileg der Führungskraft. Anders sieht es bei den anderen Mitarbeitern aus. Die sind mit dem großen Schlüsselbund ausgestattet.
Über graue kahle Flure gehen wir fröstelnd in ihr Büro und atmen erst einmal auf. Die helle und freundliche Einrichtung gibt uns wieder Sicherheit. So etwas kennen wir, helle Möbel, Blumen, Computer, herumliegende Papiere, die Sonne scheint herein und es gibt Kaffee.
Hier werden wir nun aufgeklärt. Von den 429 Haftplätzen sind aktuell 326 belegt. Die jungen Männer sind zwischen 14 und 24 Jahre alt. Bei ihrer Ankunft geht es zunächst in die Untersuchungshaft. Nach dem Urteilsspruch wird diagnostiziert, welches Haus der Häftling bewohnen wird. Das kann dauern. Während dieser Zeit gibt es keine Bildungs- und Freizeitangebote. Es gibt bei den Insassen einen Zusammenhang zwischen bildungsfernen Haushalten und Kriminalität. In den vergangenen Jahren hat das Bildungsniveau e-norm abgenommen, so dass Alphabetisierungskurse die ersten angebotenen Bildungsmaßnahmen hinter Gittern sind. Selbstverständlich steht ein Schulabschluss auf der Prioritätenliste.
Auf die Frage nach dem Migrationshintergrund der Häftlinge kann Deininger keine genaue Auskunft geben. Sie kann sagen, dass 40 Prozent einen ausländischen Pass haben, das sagt allerdings nichts über den Migrationshintergrund aus, denn viele Insassen mit nicht deutschen Wurzeln haben einen deutschen Pass.
Die Strafanstalt kann sich als einzige Deutschlands rühmen, dass sich die Arbeitsagentur im Hause befindet. So wird möglich, dass Häftlinge, deren Strafe kürzer als die Ausbildungszeit ist – die durchschnittliche Haftdauer beträgt eineinhalb Jahre -, nahtlos in Freiheit die Ausbildung beenden können. Da Ausbildungen inzwischen in Modulen angeboten werden, unterstützt dies ein erfolgreiches Lernen.
Auch im Freizeitbereich gibt es Angebote: Neben Gitarrenkursen ist das wichtigste Angebot sicherlich der Sport. Es gibt eine Fußballmannschaft, die im Rahmen des Projekts »Anstoß für ein neues Leben« bereits ein Fußballturnier in Hameln durchführte. Zudem gibt es Gruppen, die sich mit den Auswirkungen ihrer Tat auseinandersetzen, und solche, die sich mit den Ursachen wie Alkohol- und Drogenmissbrauch beschäftigen. Festgelegt werden die Aktivitäten in einem individuellen Vollzugsplan.
Trotz aller Bemühungen ist die Rückfallquote enorm hoch. Wie hoch, das kann in Plötzensee nicht beantwortet werden, weil die Straftäter womöglich dann das Alter für eine Erwachsenenanstalt erreicht haben.
ro