Bürger für Milieuschutz – Politik dagegen

Demo_Milieuschutz
Widerstand gegen Verdrängung.                     Foto: Christian Hoffmann (www.umweltconsulting.biz)

Aufwertungsdruck vertreibt Bevölkerung aus den Kiezen

Unter­schriften sollten die Neuköllner Politik zum Handeln bewegen. Die hatte das »Bündnis für bezahlbare Mieten« in Neukölln gesammelt für einen Einwohnerantrag, dessen Ziel es ist, ganz Nordneukölln unter Milieuschutz zu stellen. Das Bezirksamt ist bisher nur bereit, die Voraussetzungen dafür im Reuterkiez und im Schillerkiez zu prüfen.
In der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung am 26. Mai hatten die Antragsteller Gelegenheit, ihre Position darzulegen.
»Die Situation, die im Reuterkiez zur Voruntersuchung geführt hat, ist in allen Kiezen gleich. Der ganze Neuköllner Norden ist von massiver Aufwertung betroffen«, sagte Willi Laumann vom Mietenbündnis Neukölln. Das habe bereits zu einer Wanderungsbewegung der ärmeren Bevölkerung aus dem Norden in die High Deck Siedlung und in die weiße Siedlung geführt. Aber auch dort werde der Aufwertungsdruck bereits spürbar, weil arme Menschen in Neukölln grundsätzlich als Problem gesehen würden. »Will das Bezirksamt, dass die Leute nach Brandenburg ziehen?« fragte einer der Vertrauensmänner des Einwohnerantrages. Neukölln sei schon immer ein Bezirk der armen Leute gewesen, er selbst zähle sich auch dazu, sagte er weiter. »Aber trotzdem möchte ich bleiben und mein Alter nicht in Marzahn verbringen.«

Eine schrittweise Überprüfung jedes einzelnen Kiezes, wie es die SPD fordert, lehnten sowohl Linke als auch Grüne als falsch ab. Sie verwiesen auf den Zeitdruck. »Der Milieuschutz ist ein vorbeugendes Instrument und muss eingesetzt werden bevor es zu spät ist«, forderte Marlis Fuhrmann (Linke). Da auf Investoren, die mit dem Kauf von Häusern und deren Verkauf als Eigentumswohnungen das schnelle Geld machen wollen, ein Umwandlungsverbot tendenziell abschreckend wirke, könnte damit möglicherweise auch dieser Prozess zum Stillstand gebracht werden.
Eine schrittweise Einführung könnte aber dazu führen, dass das Interesse der Investoren auf die angrenzenden Gebiete verstärkt würde, womit überhaupt nichts gewonnen wäre.
Es nützte alles nichts. Mit den Stimmen der SPD und der CDU wurde der Antrag abgelehnt.
Stattdessen brachte die SPD einen eigenen Antrag ein, in dem das Bezirksamt gebeten wird, bis zum Ende des dritten Quartals 2015 »einen Zeitplan für weitere Untersuchungen vorzulegen«. Bei Enthaltung von Grünen, Linken und Piraten wurde dieser Antrag mit den Stimmen der SPD angenommen. Die CDU, die sich deutlich gegen den Milieuschutz ausspricht, lehnte auch diesen Antrag ab.
Es stellt sich allerdings die Frage, ob es bei diesem Tempo dann noch ein Milieu gibt, dass es zu schützen gilt.

mr