Wie hätte Brecht eine Mühle verkauft?

Löns‘sche Erotik trifft Grzimek

PHOTO Everding (2)
Ben Everding.                                                             Foto: Isabelle Hannemann

»Wir müssen die Mühle  unseres Vaters verkaufen«, mit diesem Thema habe sich jeder große Dichter auseinandergesetzt, so jedenfalls behauptet es Ben Everding.  Und schon ist der Gast mitten in einer schrägen, witzigen, intelligenten und fantastischen Show, die die Überflieger und Oberschlauen letztlich wieder auf die banale Ebene zieht.
Everding legt Schiller, Goethe, Brecht, Löns und vielen anderen Dichtern Mühlengeschichten in den  Mund und lässt sie in deren Sprache sprechen. Zum Kugeln ist der Löns-Text. Hermann Löns war ein Dichter, der sich mit Flora und Fauna in der Lüneburger Heide lyrisch beschäftigt hat. Everding erschuf im Löns-Stil, der nebenbei bemerkt unglaublich langweilig war und jeden Schüler in Norddeutschland gequält hat, eine erotische Mühlen-geschichte. Da hoben die jungen Müllerinnen die Röcke, die Wangen erröteten, die Amseln sangen die schönsten Lieder, der Fuchs

Blaue Fabrik; 11.09.2014; Ausgefallene Blaue Bühne mit Ben Everding
Der musikalische Begleiter.           Foto:pr

umwarb eine Füchsin, selbst die Bäume versanken in erotischen Frühlingsgefühlen. Das alles trug er vor mit einer Stimme, die an Professor Dr. Grzimek erinnerte. Wer ihn nicht kennt, Dr. Grzimek war ein Zoodirektor und Tierfachmann im Frankfurter Zoo, der in den 70er Jahren ein Fernsehstar war. Er brachte Tiere wie Geparden und Affen ins Fernsehstudio und berichtete ausführlich über deren Lebensweise. Seine knarzige Stimme machte ihn unverwechselbar. Genau mit dieser Stimme und dem Gebaren des Dr. Grzimek trug Everding die Löns‘sche Mühlengeschichte vor.
Begleitet wurde der Künstler von Sebastian Jiro Schlecht aus Berlin am Flügel. Der Flügel wurde wohl mal zu heiß gewaschen und stand nun stolz im Miniformat auf einem Sockel, und der Pianist war doch eher ein Kuscheltier, das bei zu viel Bewegung aus der Fassung geriet und auf den Boden fiel.
Zum Schluss kam dann das Beste. Brecht wurde in Eissler-Manier vorgetragen und mit der Mühlengeschichte vertraut gemacht. Belehrend, wie Brecht eben so war, klärte Everding das Publikum auf, dass es keine Genies gibt. Die, die sich so nennen, haben ihre Weisheiten von den Vätern und den Urvätern mitbekommen. Nur die Gunst der Stunde lässt ihren Ruhm zu. Es hätte auch alles anders kommen können.
Der Abend mit Ben Everding, der im »Landsmann« stattfand, war ein Ritt durch die Mühlengeschichte, in der es auch um Mühlen ging, der jedoch von einem Sprachkünstler, geboren im langweiligen Niedersachsen und heute beheimatet im passenderen Wien mitreissend interpretiert wurde.
 ro