Kinder, Kitas und Karriere

Die Suche nach einem Kitaplatz kann Eltern an den Rand des Wahnsinns treiben.

Es gibt ein Ungleichgewicht in Berliner Kitas. Während manche Bezirke ein Überangebot an Kitas haben, sind andere unterversorgt. Vor allem in der Gropiusstadt und Nord-Neukölln herrscht ein Mangel an Kitaplätzen. Mehr Kitaplätze als Kinder hingegen gibt es unter anderem in Marzahn-Nord und Gatow/Kladow. Diese freien Plätze nützen den Neuköllner Eltern leider herzlich wenig. Die gesetzlich zumutbare einstündige Fahrzeit würde hier deutlich überschritten.

Kita
Die Kita – Hort der frühen sozialen Bildung.                                                                                                              Foto: fh

Ohnehin werden nur 63 Prozent der Neuköllner Kinder unter sechs Jahren mit einem Kitaplatz versorgt. »Viel zu wenig«, schimpft Ayse G., die sich seit mehreren Monaten um einen Platz für ihre Tochter bemüht. »Ich will im September 2015 wieder arbeiten gehen, bin alleinerziehend und habe immer noch keine Zusage für einen Ganztagsplatz. Angeboten wurden mir diese Stundengutscheine, die sind doch Blödsinn. Das ist doch nicht gut für die Kinder, wenn sie zu unterschiedlichen Zeiten kommen und gehen. Was den Erziehern dabei zugemutet wird, darüber spricht auch kaum jemand. Wie soll denn so eine sinnvolle Gruppenarbeit gestaltet werden? Wenn ich meinen Vollzeitjob nicht schnell wieder aufnehmen kann, werde ich zum Sozialfall. Das ist bestimmt teurer als ein Kitaplatz.«
Ayse G. ist leider kein Einzelfall, jedoch als Alleinerziehende trifft es sie besonders hart. Selbst berufstätige Eltern können es sich nicht leisten, weniger zu arbeiten, um die Kinderbetreuung vollständig zu übernehmen. Die ständig steigenden Mieten, die gerade in Neukölln zu verzeichnen sind, lassen das nicht zu. Und für Gesamt-Neukölln gibt es einen steigenden Bedarf an Kitaplätzen mit derzeit wenigen freien Kapazitäten.
Bis 2019 prognostiziert der Berliner Senat selbst einen berlinweiten Mehrbedarf von 18.500 Kitaplätzen. Dafür will er im Jahr 2015 zehn Millionen Euro für 4000 neue Plätze zur Verfügung stellen.
Abgesehen davon, dass den Eltern der Kopf bei diesem Zahlengewirr schwirrt, helfen sämtliche Prognosen über Bevölkerungswachstum oder -rückgang in keiner Weise, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu meistern. Die Eltern wünschen für ihre Kinder eine gute vorschulische Bildung. Leider sind die Berliner Kitas noch immer nicht als Bildungseinrichtung festgeschrieben. Dafür setzten sich schon frühere Elterngenerationen seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts ein.
Und was ist mit den Erziehern? Mehr Kitaplätze erfordern mehr Erzieher, am besten gut ausgebildete.
Viele, die diesen Beruf gerne ergreifen würden, können sich allerdings das Schulgeld für die Fachschulen nicht leisten. Zur Zeit diskutiert die Politik darüber, diese Schulgebühren abzuschaffen. Das beugt zukünftigem Erziehermangel möglicherweise vor.
Momentan bilden die Fachschulen zehn Prozent mehr Erzieher aus.
Die mangelnden Stellen sollen zwischenzeitlich durch die Erhöhung der Arbeitszeit bei Teilzeitkräften ausgeglichen werden.
Personalmangel im Kitabereich ist weder neu noch selten. Die Arbeitsdichte steigt ständig, der Krankheitsstand ist demzufolge hoch, zusätzliches Personal kaum vorhanden. Als Folge müssen sich weniger Erzieher um mehr Kinder kümmern, also, Erhöhung der Gruppenfrequenz bei gleichzeitiger Senkung des Personalschlüssels, und das bei nicht eben üppigem Verdienst.
Die Fragen, die bleiben, sind die nach der Tauglichkeit von Prognosen, Maßnahmen und politischem Willen.
Und die nach der Wertigkeit der Kinderbetreuung und -bildung. Die-se sollte sich nicht am Geldbeutel der Eltern orientieren, sondern als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden. Gleiches sollte auch für junge Heranwachsende gelten.
Schließlich sind das die Erwachsenen von morgen.
bs