Nachrichten aus dem »Neuköllner Tageblatt« vor 100 Jahren, bearbeitet von M. Rempe
Nr. 28 – Mittwoch, 03. Februar 1915
Berechtigte Klagen über den Mangel an Nickelgeld. In fast allen Kreisen geschäftlicher Unternehmungen wird seit Beginn des Krieges schwer über den Mangel an Nickelgeld geklagt. Dieser Mangel ist in erster Linie auf die Sammelbüchsen der verschiedenen Vereinigungen zurückzuführen. Die Sammelbüchsen enthalten meistens Nickelmünzen im ungefähren Betrage von je 50 Mark. Bleiben von diesen Büchsen 10.000 Stück längere Zeit und zwar, wie es vorgekommen ist, über vier Monate ungeleert, so ergibt dies einen dem Geldverkehr vorenthaltenen Betrag von einer halben Million Mark.
Nr. 31 – Sonnabend, 06. Februar 1915
Ersatz für Benzin. Die Benzinknappheit macht sich nicht nur bei Automobilisten, sondern auch im Haushalt bemerkbar. Benzin ist wegen seiner Eigenschaft, Fette zu lösen, das am meisten verbreitete Fleckenreinigungsmittel. Heute beim Drogenhändler ein kleines Fläschchen Benzin zu erhalten, ist vergebliche Mühe. Zum Glück gibt es einen Benzinersatz. Die Apothekerzeitung macht darauf aufmerksam, daß Tetrachlorkohlenstoff ein gutes Fleckenreinigungsmittel ist. Es ist zwar schwerer und teurer als Benzin, hat aber andererseits den Vorzug, nicht feuergefährlich zu sein. Allerdings hat es ja wieder den Nachteil des schwierigeren Namen, den ein Laie auf dem Wege von der Wohnung bis zur Apotheke bestimmt vergißt; dadurch lasse man sich aber nicht zurückschrecken.
Nr. 38 – Sonntag, 14. Februar 2015
Gegen die Mehlhamster. Der Magistrat Berlin veröffentlicht folgende Warnung: Es wird berichtet, daß vielfach von einzelnen Haushaltungen noch der Versuch gemacht wird, sich größere Mengen Mehls auf Vorrat zu sichern. Demgegenüber muß darauf aufmerksam gemacht werden, daß ein solches Verfahren unzulässig und strafbar ist. Nach der Verordnung des Magistrats Berlin vom 30. Januar 1915 darf Mehl und Brot zusammen nur im Höchstbetrage von zwei Kilogramm pro Person und Woche ausgegeben werden. Wer mehr entnimmt, setzt sich einer Gefängnisstrafe bis zu sechs Monaten oder einer Geldstrafe bis zu 1500 Mark aus. Mehlhändler, welche solche Umgehung der Verordnung unterstützen, haben außer der Strafe die sofortige Schließung ihres Ladens zu gewärtigen. – Was für Berlin gilt, gilt auch für Neukölln.
Nr. 40 – Mittwoch, 17. Februar 1915
»Gold geb‘ ich für Eisen« soll auch heute wie vor hundert Jahren, wo in Menge Wertsachen aller Art auf dem Altar des Vaterlandes allseitig geopfert wurden, die Losung sein. Unsere Leser machen wir deshalb auf den in der heutigen Nummer vom Magistrat auf Veranlassung des Brandenburgischen Provinzialvereins vom Roten Kreuz veröffentlichten Aufruf aufmerksam. Wie wir hören, wird hierorts beabsichtigt, bei Ablieferung größerer Spenden den Betreffenden eine Erinnerung an die große Zeit zu gewähren. Näheres wird noch bekannt gegeben werden. Wir sind überzeugt, daß es bei dem von unserer Bevölkerung bisher in so hervorragendem Maße bewiesenen Verständnis von der Größe und Schwere der Zeit nur dieser Anregung bedarf, um auch auf diesem Gebiet patriotischer Betätigung einen vollen Erfolg zu erzielen.
Die Transkription des Zeitungstextes wurde mit Fehlern in der Rechtschreibung aus dem Original von 1914 übernommen.
Die Originale befinden sich in der Helene-Nathan-Bibliothek.
»Gold gab ich für Eisen«
Was Regierungen so alles einfällt, wenn es brenzlig wird
Während des Befreiungskrieges 1813 appellierte Prinzessin Marianne von Preußen an alle Frauen Preußens, ihren Goldschmuck zu spenden, um damit den Kampf gegen die französische Besatzung zu unterstützen. Als Dank dafür erhielten sie eine Brosche oder einen Ring aus Eisen mit der Aufschrift »Gold gab ich für Eisen«.
Zur Deckung der ungeheuren Rüstungskosten im 1. Weltkrieg besann sich die Regierung auf dieses Vorbild und machte es quasi zu einer patriotischen Pflicht, sein privates Eigentum an Gold in Form von Münzen oder Schmuck gegen eiserne Medaillen und Papiergeld einzutauschen, das in Folge der Inflation bald an Wert verlor.
Aber auch andere Metalle waren kriegswichtige Rohstoffe. Deshalb spendeten Hausfrauen ihre Kupfertöpfe- und Pfannen. Die eisernen Ersatzgefäße trugen Aufschriften wie »Gab Kupfer für das Eisen hin – Der deutschen Hausfrau Opfersinn«.
Obwohl die Sammelaktion freiwillig war, entstand doch ein erheblicher sozialer Druck. Wer den Eisenschmuck trug, gewann an gesellschaftlicher Anerkennung als »wahrer deutscher Patriot«, wer weiter Gold zeigte, verlor an Reputation.
Selbst öffentliche Einrichtungen und Vereine in den Städten und Gemeinden, sowie die Kirchen konnten sich dieser Aktion nicht entziehen.mr