Bürgerbeteiligung im Digitalzeitalter

Die Online-Plattform zum Tempelhofer Feld – eine vertane Chance?

Ein gelungener Volksentscheid, eine Party auf dem Feld, die Schlacht um das «Wiesenmeer» scheint gewonnen. Doch was jetzt? Eine Bebauung schließt das neue Gesetz auf dem Tempelhofer Feld aus, doch sonst lässt es Raum für Neugestaltung und Änderungen, bei denen die Bürger die Möglichkeit haben sollten mitzubestimmen.

adhocracy
https://tempelhofer-feld.berlin.de

Unter dem schnittigen Namen «Adhocracy» hat der in Neukölln ansässige gemeinnützige Verein «Liquid Democracy e.V.» eine freie Software geschaffen, die als Betriebssystem für demokratische Beteiligung fungiert. Diese wurde im Dezember 2014 vom Senat für Stadtentwicklung als Diskussionsforum rund um das Tempelhofer Feld freigeschaltet, alles im Rahmen der Erstellung des »Entwicklungs- und Pflegeplans« (EPP). Mit der Koordination des Projekts betreute Ex-Bausenator Michael Müller den Geschäftsführer des »BUND«, Tilmann Häuser, damals ein vehementer Kritiker des Gesetzesentwurfs der Regierung.
Doch die erste Bilanz scheint wenig berauschend, so ist es zumindest in der Presse zu lesen. Gründe für die geringe Beteiligung werden an ganz unterschiedlichen Stellen vermutet. Einerseits könnte es die Unbeliebtheit des Senats sein, dessen Logo über der Website prangt und das Misstrauen ihm gegenüber, die Vorschläge tatsächlich in die Tat umzusetzen. Andererseits wurde die Plattform bisher nur äußerst spärlich beworben, weshalb sie wohl an vielen Berlinern vorüberging. Ist der Senat dann vielleicht gar nicht unbedingt an einer echten Partizipation interessiert, sondern letztlich froh, durch eine geringe Beteiligung freies Spiel zu haben und sich gleichzeitig damit rechtfertigen zu können, die Bürger hätten ja die Chance gehabt?
Rouven Brües von «Liquid Democracy e.V.» ist anderer Meinung: Der Senat habe aus dem Volksentscheid gelernt, dass derartige Pläne nicht ohne die Bürger durchzuführen seien. Außerdem sei die Online-Plattform nur ein Teil des Prozesses, der über Offline-Veranstaltungen und mehrere Vorschlags- und Abstimmungsrunden einen Entwurf des EPP hervorbringen soll, der dann im September dem Abgeordnetenhaus vorgelegt wird.
Zu guter Letzt könnte man aber auch den Bürgern selbst vorwerfen, nach einem sensationell geglückten Volksentscheid die Lust an weiteren Anstrengungen, sich demokratisch zu beteiligen, verloren zu haben. Das ist eine traurige Erkenntnis, denn, so Brües, «letztendlich bedeutet Bürgerbeteiligung nicht nur abstimmen sondern auch ganz konkret mitarbeiten – und dafür fehlt wohl den meisten das Engagement oder die Zeit.»

jt