Sorge um die Heimat

Vom Schwarzen Meer in den Körnerkiez

Kurz vor Weihnachten traf Anna in Neukölln ein. Es war ein umständlicher Weg von dem ukrainischen Mykolaiv zu ihrer Tochter Stella in den Körnerkiez. Das Reisevisum erhielt sie zwar nach langem Warten, aber sie musste die Reise über das polnische Warschau machen. Dort holte Stella ihre Mutter ab, um mit ihr gemeinsam die Zugreise nach Berlin anzutreten. Stellas Glück war es, Deutsch zu sprechen, denn die polnischen Beamten verstanden kein Wort Russisch.
Stella lebt schon lange in Neukölln. Hier kann sie mehr Geld verdienen als in der Ukraine. Die Mutter fühlt sich hier wohl, will aber wieder zurück in die Heimat. Die Tränen stehen ihr in den Augen, als sie von ihrer Heimat Mykolaiv erzählt. Sie hat Angst vor einem Krieg. Einen hat sie schon erlebt, den »Zweiten Weltkrieg«, einen weiteren will sie nicht mitbekommen.
Mykolaiv liegt an der Küste zum Schwarzen Meer. Der Ort ist von einem doppelten militärischen Schutzwall gesichert. Die Bewohner des Ortes haben keinerlei Kriegshandlungen mitbekommen, die wirtschaftliche Not, von der in den Medien berichtet wird, spüren sie hier nicht. Die einzige westliche Straße zur Halbinsel Krim geht durch diesen Ort. Das ist auch der Grund für die militärische Bewachung.
Auch Anna leidet keine wirtschaftliche Not. Sie bekommt eine gute Rente und ist nicht auf Zuwendungen aus dem westlichen Ausland angewiesen. Sie fühlt sich in Berlin wohl, liebt den Besuch auf den Weihnachtsmärkten. Hier sind die Menschen gut zueinander, sie wollen die Weihnachtsstimmung leben. Und trotzdem will sie wieder zurück. Niemals hatte sie eine Auswanderung nach Deutschland geplant. Und so sitzen Mutter und Tochter beisammen und machen sich große Sorgen um ihre geliebte Heimat, die von Krieg bedroht ist.
ro