Wer hat das Stroh um den Platz gerollt?

Böhmisch- und Deutsch-Rixdorf feiern ausgelassen

Die Einhörner sind los. Familie Schniepel gibt sich die Ehre. Riesenbabys und komische Goldhelme bevölkern Neukölln. Für Eingeweihte ist das normal, denn zum »Popráci« ist eben alles ein bisschen anders.
Eine ganze Woche übernahmen die Rixdorfer den Platz um die alte Schmiede, um ausgelassen zu feiern. Neben dem Strohballenrollen gab es wie immer zahlreiche Kulinaritäten und ein buntes Bühnenprogramm.

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Anmut, Grazie, Schweiß. Foto: cr

Auch dieses Jahr kamen wieder Gäste aus Tschechien, die sich etwas Besonderes für ihren Auftritt ausgedacht hatten. Die Jungs, die letztes Jahr als leichte Mädels angetreten waren, sind in diesem Jahr eine Generation weiter gegangen – als Babys gingen sie ins Rennen. Und wie auch im letzten Jahr gewannen sie. »Wir waren überrascht«, sagen sie. Denn in diesem Jahr sind ungewöhnlich starke Mannschaften angetreten.
»Familie Schniepel«, eine Gruppe von Freunden, die mittlerweile fester Bestandteil des Rennens ist, musste diesmal auf ein Familienmitglied verzichten, weil dieses Nachwuchs bekommen hatte und seine eigene Mannschaft an den Start führte. »Käpt‘n Schluckidei und die Seetangspinner« wurden letztendlich zur gemütlichsten Gruppe gekürt.

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Böhmische Babies. Foto:mr

Neben allerlei menschlichen Gestalten traten auch vier Einhörner an. Die deutsch-italienische Mannschaft, die erst am Morgen ihre spontane Kostümwahl komplettiert hatte, schaffte es auf den dritten Platz. Zum ersten Mal dabei war »Die schiefe Bahn«, eine Bar unweit des Richardplatzes. Immerhin unter die ersten sechs haben sie es geschafft. Ihr Fazit und auch das der anderen ist klar sichtbar: Es hat Spaß gemacht und nächstes Jahr sind sie auf jede Fall wieder mit dabei.
Lange Zeit zum Ausruhen blieb den Mannschaften, die teilweise bis spät in die Nacht noch auf dem Richardplatz blieben, nicht, denn am darauffolgenden Tag wurde der zweite Teil der Rixdorf-Saga aufgeführt.

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Die Saga geht weiter. Foto:mr

Um die zweihundert Mitwirkende erzählten voller Begeisterung und Spielfreude Geschichten von Zuwanderung, Vertreibung, Katastrophen und Amüsements.
Es begann mit den düsteren Kapiteln der Geschichte – dem Blutmai von 1929 und dem Nationalsozialismus. Es folgten die Fünfziger-Jahre, als die Neuköllner nicht nur vom Wannsee, sondern auch von Paris und Capri träumten. Dann wurde die Mauer gebaut und wieder eingerissen.

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Mauern fallen. Foto:mr

Am Ende lief die Arche Rixdorf aus – in die Zukunft.
Das Projekt selbst ist ein Beispiel für gelebte Integration. Die Schar der Mitspielenden war bunt gemischt, vom Kindergartenkind bis zum Senioren, mit und ohne Migrationshintergrund. Und das Gleiche galt für die vielen Zuschauer. Die Fortsetzung der Saga folgt im nächsten Jahr.

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Die Arche legt ab. Foto:mr

Bis dahin müssen allerdings noch Schulden bezahlt werden, denn das Neuköllner Grünflächenamt hat noch eine Rechnung mit den Organisatoren der Saga offen. 780 Euro sollen sie zahlen, weil sie im vergangenen Jahr während der Aufführung Büsche auf dem Richardplatz beschädigt haben. »Wenn Buschkowsky das wüsste, würde er das Grünflächenamt sofort zurückpfeifen«, meinte eine Besucherin, die fassungslos vor dem Schreiben des Bezirksamts stand.

cr/mr