Neuköllner Alltägliches

Nachrichten aus dem »Neuköllner Tageblatt« vor 100 Jahren, bearbeitet von M. Rempe

NK_Tagblatt-KopfNr. 237 – Freitag,  09. Oktober 1914
Uebergabe des Reuterbrunnens. Am Dienstag, den 13. Oktober, vormittags 11 Uhr, findet auf dem Reuterplatz die Uebergabe des Reuterbrunnens statt. Eine offizielle Feier findet nicht statt. Es werden der Vorstand des Komitees sowie Mitglieder der Gartenbau= und Hochbaudeputation zugegen sein.

Nr. 238 – Sonnabend, 10. Oktober 1914
Die deutsche Sprache im Fleischergewerbe. Der Deutsche Fleischerverband schlägt, wie die »Deutscher Fleischer=Zeitg.« meldet, seinen Berufsgenossen folgende unsere Hausfrauen gewiß sehr interessierende Aenderung der Fleischbezeichnung vor: Für Roastbeef: Ochsenrücken (Rinderrücken), für Filet: Lende, für Beefsteak: Lendenschnitte, für Entrecote: Mittelrippenstück, für Rumpsteak: Rückenschnitte, für Cotelette im Stück: Rücken, zusammenhängend: Sattel, für Carbonade und Carré: Rippschnitt, für Gulasch: Pfefferfleisch, für Ragout und Frikasseé: Würzfleisch, für Frikandeau: Kalbsspickbraten, für Frikandelle: Hackfleisch zu Fleischklößchen, für Bouillon: Fleischbrühe, für Aspik und Geleé: Fleischauszug, für Saucischen: Würstchen, für Delikateß=Schinken: Edelschinken, für Corned Beef: Büchsensalzfleisch, für Boiled Beef: Büchsenfleisch.

Nr. 242 – Donnerstag, 15. Oktober 1914
Die Strümpfe für unsere Krieger. Professor Dr. Burgbart, dirigierender Arzt am Elisabeth=Krankenhaus, macht folgenden Vorschlag zur Herstellung von Strümpfen für unsere Krieger: »Die Beinlinge sind aus Wolle, die Füße jedoch aus Baumwolle zu fertigen und jedem Paar solcher Strümpfe ein paar Fußlappen aus bestem weißen Barchent beizugeben. Die Beinlinge müssen aus Wolle hergestellt sein, wenn sie ihrer Aufgabe zu wärmen, genügen sollen. Die Anfertigung der Füße aber aus Wolle erhöht nicht nur den Verbrauch dieses kostbaren Stoffes unnötig, sondern ist auch überflüssig, falls Fußlappen außer den Strümpfen getragen werden, und unpraktisch, da der wollene Fuß bald verfilzt, hart wird und dadurch Fußschäden herbeiführen kann. Fußlappen sind, vorausgesetzt, daß zu ihnen bester Barchent verwendet wird, den Füßen bei weitem zuträglicher als wollene Fußbekleidung, wenn diese nicht oft gewechselt werden kann. Die Erfahrungen unserer Krieger belegen diese Behauptung, und die ärztliche Beobachtung des Zustandes der Füße der hier eingelieferten Verwundeten spricht sehr zu Gunsten der Fußlappen gegenüber dem Wert wollener Strümpfe. Beinlinge ohne Füße den Soldaten zu liefern, wie hier und da angeregt worden ist, scheint mir nicht zweckmäßig, weil solche Beinlinge nicht unveränderlich fest liegen und den Fußlappen nicht Halt gewähren.«

Die Transkription des Zeitungstextes wurde mit Fehlern in der Rechtschreibung aus dem Original von 1914 übernommen.
Die Originale befinden sich in der Helene-Nathan-Bibliothek.

Mining und Lining auf dem Reuterplatz

Brunnen erinnert an den niederdeutschen Dichter

Der hundertste Geburtstag Fritz Reuters gab den Anstoß, den größten Dichter der niederdeutschen Sprache in Neukölln durch Errichtung eines Brunnens auf dem Reuterplatz zu ehren.
Zwei Jahre später war der vom Bildhauer Heinrich Mißfeld geschaffene Bau fertiggestellt. In einer schlichten Feier wurde er am 13. Oktober 1914 eingeweiht.

Reuterbrunnen_alt
Reuterbrunnen 1914 Historische Postkarte

Inmitten einer Schale aus Muschelkalk mit einem Durchmesser von drei Metern erhob sich das Denkmal für Fritz Reuter. Es bestand aus einem geschweiften Sockel, den ein Relief mit einer Profilansicht des Dichters und die Inschrift »Fritz Reuter 1810-1874« schmückte. Den Sockel krönte eine Plastik, die zwei Kinderfiguren aus Reuters Roman »Ut mine Stromtid« darstellte.
»Die Kindergruppe »Lining und Mining« mit Perücke und Haube der Großeltern atmet ganz den Geist des Dichters. Die rundlichen Kindergestalten in der weniger schönen als anheimelnden Kleidung der Reuterzeit lösen in ihrer drolligen Vermummung bei jedem Beschauer gern die Erinnerung an jene bekannte humorvolle Szene der Stromtid aus und werden vor allem den Beifall unserer Kinderwelt finden«, schrieb das Neuköllner Tageblatt. Der Laubengang, der den Brunnen umgibt, wurde von Reinhold Kiehl entworfen.
Im zweiten Weltkrieg wurde die Anlage weitgehend zerstört. Lediglich die Brunnenschale blieb erhalten. In den fünfziger Jahren wurde der Brunnen restauriert und mit der Skulptur eines auf einer Weltkugel sitzenden Mädchens versehen.

Reuterplatz (14)
Fritz Reuter hätte seine Freude. Reuterbrunnen 2014 Foto: mr

Ihr heutiges Aussehen erhielt die Grünanlage mit dem Brunnen von 1988 – 1992. Der Brunnen wurde komplett neu gebaut. Auf dem Sockel stehen jetzt wieder Mining und Lining, allerdings in etwas modernisierter Form. Die alte Brunnenschale fand Verwendung beim Bau des Brunnens vor dem Rathaus Neukölln. 

mr