Der Film »Mietrebellen« portraitiert die Proteste gegen Verdrängung / von Robert S. Plaul
Was der Begriff »Gentrifizierung« bedeutet, und wie schnell Verdrängung alteingesessener Mieter aus ihrem Lebensumfeld mittlerweile gehen kann, bedarf in Berlin und insbesondere in Kreuzberg und Neukölln seit einiger Zeit keiner näheren Erklärung mehr – zu präsent ist die Problematik, als dass man sie ignorieren könnte, selbst wenn man persönlich nicht direkt betroffen ist. Dass das Thema in den Köpfen ist, ist nicht zuletzt auch das Verdienst jener Aktiven, die sich in den vergangenen Jahren in zahlreichen Initiativen und Gruppierungen zusammengefunden haben, um den Protest gegen Mieterhöhung und Verdrängung auf die Straße zu bringen. Mit »Mietrebellen« kommt Ende April ein Dokumentarfilm ins Kino, der ein Portrait eben jener Protestbewegung zeichnet.
Es ist eine Bewegung, das zeigt der Film, die sich nicht ohne weiteres einer konkreten gesellschaftlichen »Gruppe« oder »Schicht« zuordnen lässt: Intellektuelle Alt-Linke, türkische Grundsicherungsempfänger und kampfeslustige Senioren sind es, die sich plötzlich – und vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben – demonstrierend auf der Straße wiederfinden, ein Protestcamp aufbauen und Zwangsräumungen verhindern.
In Pankow haben die Nutzer einer Seniorenbegegnungsstätte, die vom Bezirk geschlossen werden sollte, die Einrichtung kurzerhand besetzt und damit die Politik zum Handeln gezwungen. In Friedrichshain ist es den Bewohnern einer Wohnanlage, der Rentnergruppe »Palisadenpanther«, gelungen, die drohende Verdoppelung der Miete auf die sogenannte »Kostenmiete« zu vereiteln.
Ausgelaufene staatliche Fördergelder im ehemaligen sozialen Wohnungsbau sind auch der Grund für die Mieterhöhungen südlich des Kottbusser Tors. Die zum größten Teil türkischstämmigen Mieter, die meist seit Jahrzehnten in ihren Wohnungen leben, haben sich zur Initiative »Kotti & Co.« zusammengeschlossen und auf dem Platz ein Protestcamp aufgeschlagen, das sie in Anlehnung an die informellen Siedlungen am Rande türkischer Großstädte als »Gecekondu« bezeichnen. Tatsächlich haben sie mit ihrem Protest erreicht, dass die geplante Mieterhöhung für ein Jahr ausgesetzt wurde.
Mit Rollstuhl und Rollator. Die »Palisadenpanther« kämpfen um ihre Wohnanlage. Fotos: schultecoersdokfilm
Doch nicht immer ist der Protest erfolgreich. Die Zwangsräumungen von Familie Gülbol und von Rosemarie Fliess – die traurige Berühmtheit erlangte, weil sie zwei Tage darauf verstarb – konnten trotz massivem Aufgebot von Protestierenden nicht verhindert werden. Die gute Nachricht aber, das vermitteln die Dokumentarfilmer Gertrud Schulte Westenberg und Matthias Coers in »Mietrebellen«, ist, dass mit solchen Aktionen ein öffentlicher Druck geschaffen wird, der künftig Vermieter vielleicht davon abhält, zum Mittel Zwangsräumung zu greifen, selbst wenn sie sich im Recht fühlen.
Der eigentliche Adressat des Protestes aber ist und bleibt die Politik. Nur sie nämlich kann beispielsweise entscheiden, ob weitere Immobilien aus Landesbesitz an private Investoren verkauft werden oder ob es Mietobergrenzen geben soll.
»Mietrebellen« läuft ab 24. April unter anderem im Moviemento.