Nachrichten aus dem »Neuköllner Tageblatt« vor 100 Jahren, bearbeitet von M. Rempe
Nr. 1 – Donnerstag
1. Januar 1914
Zeppelin in Neukölln.
Graf Zeppelin, der seit etwa vierzehn Tagen in der Reichshauptstadt weilte und auch die Weihnachtszeit hier verbrachte, besuchte am Dienstag die Propellerfabrik von Lorenzen in der Münchenerstraße 46. Er besichtigte die Fabrikationsanlagen aufs eingehendste, und sprach den Leitern des Unternehmens, das wiederholt für die Militärverwaltungen wie auch für die privaten Luftschiffergesellschaften Luftschrauben lieferte, seine Anerkennung aus. Der Besuch währte ungefähr drei Viertelstunden. Vom Publikum wurde der Graf, als er die Fabrik betrat, sofort erkannt und stürmisch begrüßt. Am Abend hat Graf Zeppelin die Reichshauptstadt mit dem fahrplanmäßigen Schnellzug 8 Uhr 25 Minuten wieder verlassen und kehrte nach Friedrichshafen zurück.
Nr. 2 – Sonnabend
3. Januar 1914
Von der großen Berliner Straßenbahn wird uns geschrieben: Der starke Schneefall war nicht imstande, den Straßenbahnbetrieb empfindlich zu stören. Dadurch, daß auf sämtlichen Strecken während der Nachtzeit Motorwagen und Schneepflüge den Betrieb aufrecht erhielten, wurde die Anhäufung größerer Schneemassen auf dem Bahnkörper verhindert, so daß früh der fahrplanmäßige Verkehr im allgemeinen aufgenommen und durchgeführt werden konnte. Eine Einschränkung trat nur insofern ein, als Anhänge= und Einsetzwagen fortgelassen wurden. Die Erfahrungen der Schneefälle früherer Jahre haben gelernt, über Schwierigkeiten, die damals unüberwindlich schienen, hinwegzukommen. Der für solche Fälle bis ins Einzelne ausgearbeitete Mobilmachungsplan konnte reibungslos und wirksam ins Werk gesetzt werden. Gleich bei Beginn des Schneefalles wurden 61 Salzwagen und 300 Schneeräumewagen auf die Strecke geschickt, die seither fortdauernd tätig sind. 1500 Straßenbahnangestellte und 2500 aushilfsweise eingestellte Schneeschaufler arbeiten augenblicklich. Wir glauben, auf den unter denkbar schwierigsten Umständen erzielten Erfolg hinweisen zu dürfen.
Nr. 11 – Mittwoch
14. Januar 1914
Gefoppte Arbeitslose.
Eine wahre Völkerwanderung ergoß sich gestern morgen nach der Roseggerstraße. In einem Berliner Blatte war ein Inserat erschienen, daß der Druckereibesitzer Heinzelmann einen Hausdiener gegen 27 Mark Wochenlohn suche. Die Vorstellung sollte von 7–10 Uhr erfolgen. Hunderte von Arbeitslosen begaben sich infolgedessen gestern früh nach der H.‘schen Wohnung, doch wurde ihnen nicht geöffnet. Nachdem die Arbeitsuchenden erfahren hatten, daß das Geschäftslokal des H. sich Elbestraße 31 befinde, begaben sie sich in geschlossenem Zuge dorthin. Hier wurden sie aber nach der Wohnung in der Roseggerstraße verwiesen und abermals zog die Menge nach genannter Straße. Diesmal wurde ihnen geöffnet, doch erklärte H., von dem Inserat nichts zu wissen, es müsse sich jemand einen schlechten Scherz gemacht haben. So blieb den gefoppten Arbeitslosen nichts weiter übrig, als sich grollend zu entfernen. – Sollte es nicht möglich sein, den Urheber des gemeinen Streiches zu ermitteln und zur Bestrafung zu bringen?
Die Transkription des Zeitungstextes wurde mit Fehlern in der Rechtschreibung aus dem Original von 1913 übernommen.
Die Originale befinden sich in der Helene-Nathan-Bibliothek.
Faszination Zeppelin
Eine neue Ära des Reisens mit der »fliegenden Zigarre«
Auch wenn es sie längst nicht mehr gibt, haben die Luftschiffe des Grafen Zeppelin bis heute ihre Faszination bewahrt.
Ferdinand Graf Zeppelin (1838-1917) begann nach seinem Ausscheiden aus dem Militärdienst 1891 mit der Entwicklung des Starrluftschiffes, das seinen Namen in kurzer Zeit weltberühmt machen sollte. Der eigentliche Durchbruch der Luftschiffe kam mit der ersten großen »Zeppelin-Katastrophe«. Am 5. August 1908 wurde »LZ 4«, das vierte Luftschiff, durch Sturm und eine Gasexplosion zerstört. Durch spontane Spenden kamen rund sechs Millionen Mark zusammen und ermöglichten Zeppelin die Fortführung seines Werks.
1909 wurde die »Deutsche Luftschiffahrts AG« (DELAG) gegründet, die erste Luftschiff-Reederei der Welt. Sie beförderte bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs mit sieben Luftschiffen auf 1.588 Fahrten 34.028 Personen, von denen keine zu Schaden kam, obwohl vier der Luftschiffe bei Unfällen zerstört wurden.
»LZ 127«, der den Namen »Graf Zeppelin« erhielt, erlangte durch zahlreiche spektakuläre Fahrten Weltruhm, darunter 1929 die einzige Erdumrundung eines Luftschiffes und eine Arktisfahrt 1931. Das Luftschiff hatte gewaltige Ausmaße: 236 Meter Länge, 105.000 Kubikmeter Gasfüllung, fünf Motoren für eine Reisegeschwindigkeit von 110 Kilometern pro Stunde und eine Reichweite von 10.000 Kilometern.
Für wohlhabende Geschäftsleute boten die Zeppeline eine Alternative zum Schnelldampfer. Sie brauchten von Deutschland nach New York nur zweieinhalb bis drei Tage, das Schiff war ein bis zwei Wochen unterwegs. Und der Luxus, den die Luftschiffe boten, war mit dem der Ozeandampfer durchaus zu vergleichen. Der Langstreckenverkehr rentierte sich, die Fahrten waren ausgebucht.
Am 6. Mai 1937 ging die »Hindenburg«, das mit 245 Metern Länge größte Luftschiff aller Zeiten, bei der Landung in Lakehurst bei New York in Flammen auf, 36 Personen verloren dabei ihr Leben. Diese Katastrophe beendete die Ära der Luftschiffe. mr