Nicht der Euro, sondern die Menschen machen Europa
»Wir brauchen nicht mehr Europa, sondern ein richtiges«. Damit umriss Jutta Limbach, die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, ihre persönliche Sicht auf Europa im Rahmen einer Veranstaltung der »Europäischen Akademie Berlin e.V.« im Roten Rathaus.
Limbach, die 1934 in der Landesfrauenklinik in Neukölln geboren wurde, wies zunächst darauf hin, dass seit der Bildung der Montanunion 1957, dem Vorläufer der EU, kein Krieg mehr auf EU-Boden stattgefunden hat. Genau aus diesem Grund ergebe die »Europäische Union« einen Sinn.
Allerdings bemerkte sie auch kritisch, dass bei der Einführung des Euro die wirtschaftliche Union gefördert, jedoch keine politische Union gebildet wurde. »Heute sehen wir das Ergebnis an der Wirtschaftskrise in Griechenland«, so Limbach. Zu allem Unglück kommt die Enttäuschung der Bürger über die EU-Politik, die sich im vermeintlichen Desinteresse äußert oder gar den Wunsch nach Abschaffung der EU laut werden lässt.
Rund 40 Neuköllner Bürger waren der Einladung der Aademie gefolgt und beschäftigten sich mit den Themen »soziales Europa« und »Europa der Bürger«. Eckart D. Stratenschulte, der Leiter der »Europäischen Akademie« gab den Teilnehmern in seiner Einführungsrede schon in etwa eine Ahnung von dem, was sie erarbeiten sollten.
Am zweiten Tag entwickelten die Arbeitsgruppen eine Bürgererklärung mit Forderungen und Erwartungen, die Berliner Politikern überreicht wurde.
Darin wurde mehr Transparenz in den Abläufen und Strukturen der EU gefordert. Mehr Bürgerbeteiligung durch Referenden und eine verbesserte Öffentlichkeitsarbeit mit allseits verständlichen Erklärungen der Arbeit der verschiedenen europäischen Gremien standen auf der Forderungsliste. In diesem Zusammenhang gab es zudem viel Kritik an den Medien, die nach Meinung der Teilnehmer viel zu wenig über die EU berichten.
Ein weiteres wichtiges Anliegen waren die sozialen Standards in den EU-Mitgliedsländern. Ein Mindestlohn, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, eine Reform des Rentensystems mit einer besseren Berücksichtigung der Erziehungszeiten, sowie die Flexibilisierung des Renteneintrittsalters abhängig von der Branche waren ebenfalls zentrale Forderungen.
Überreicht wurde die Bürgererklärung an das Bundestagsmitglied Stefanie Vogelsang (CDU), an die Berliner Abgeordneten Alexander Spiess (Piraten) und Gabriele Hiller (Die Linke), sowie an den Europaabgeordneten Michael Cramer (Bündnis 90/Die Grünen). Danach stellten diese Politiker sich der Diskussion mit den Bürgern. Cramer beklagte dabei, dass Europa auch von den Politikern aus den Nationalstaaten immer wieder schlecht geredet werde, dabei seien es doch eben diese Politiker, die die europäischen Gesetze mit entschließen würden. Er plädierte dafür, die vielen Unterschiede innerhalb Europas als Reichtum zu begreifen, gleichzeitig aber dafür zu sorgen, dass das soziale Gefälle zwischen den einzelnen Regionen nicht noch größer werde. mr/ro